Podcast:
Köpfe der HRW
Folge:
Zentrale Gleichstellungsbeauftragte – Gespräch mit Simone Krost
Sprecher:
Olaf Brinkmann, Simone Krost
Olaf Brinkmann:
Köpfe der HRW, ein Podcast der Hochschule Ruhr West.
Chancengleichheit an der HRW – wie geht das?
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Köpfe der HRW, dem Podcast, der euch Einblick in die unterschiedlichen Berufsbilder an der Hochschule Ruhr-West gibt.
Heute werfen wir einen Blick auf eine Schlüsselposition, die von großer Bedeutung ist, und zwar die der zentralen Gleichstellungsbeauftragten.
Sie sorgt nicht nur dafür, dass Frauen an der Hochschule gleiche Chancen erhalten, sondern ist auch mit ihren Kolleginnen in den Fachbereichen eine treibende Kraft – zum Beispiel im Kampf gegen Diskriminierung und sexuelle Gewalt.
Simone Krost, schön, dass du da bist. Herzlich willkommen.
Simone Krost:
Hallo Olaf, vielen Dank für die Einladung.
Olaf Brinkmann:
Was hat dich dazu bewegt, die Position der Gleichstellungsbeauftragten zu übernehmen? Damit fangen wir mal an.
Simone Krost:
Ja, was hat mich dazu bewegt?
Ich habe vor sechs Jahren an der Hochschule angefangen als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Einer meiner ersten Kontakte war zu der damaligen Gleichstellungsbeauftragten.
Ich hatte damals eigentlich die Idee, zu promovieren, auch zu einem gleichstellungsrelevanten Thema. Dann kam aber Corona, und ich hatte zwei kleine Kinder zu Hause, und das Thema Promotion wich irgendwie aus meinem Fokus.
Dann sagte die Gleichstellungsbeauftragte, die damalige, dass sie nach fast zwölf Jahren im Amt nicht mehr kandidieren würde und ging auf Nachfolgerinnensuche.
Und da ich mit diesem Thema schon immer irgendwie verbunden war – also einmal das Thema soziale Gerechtigkeit, aber eben auch diese Genderfragen, die mir insbesondere seitdem ich Mutter bin immer wieder überall begegnen – habe ich mich dann relativ kurzfristig dazu entschlossen, mich auf dieses Wahlamt zu bewerben.
Und ja, so bin ich dahin gekommen.
Olaf Brinkmann:
Ist denn der Job der Gleichstellungsbeauftragten an einer Hochschule deiner Meinung nach besonders? Und wenn ja, was macht ihn so einzigartig?
Simone Krost:
Ich finde ihn auf jeden Fall besonders.
Erstmal ist es ja ein Job, den es nicht überall gibt. Er ist qua Gesetz in Einrichtungen des öffentlichen Dienstes vorgeschrieben, ab einer bestimmten Größe, und so dementsprechend auch an Hochschulen.
Er hat aber innerhalb der Hochschule eine gesonderte Position, weil ich weisungsfrei bin. Ich habe keine Chefin, keinen Chef.
Ich suche mir meine Themen selbst. Ich entscheide also darüber, womit beschäftige ich mich und in welcher Reihenfolge beschäftige ich mich damit.
Das heißt, ich bin ein bisschen wie eine Selbstständige in einem größeren Verbund oder in einer Organisation.
Und das finde ich super, weil ich gerne eigenverantwortlich arbeite, aber diese Einbindung in den größeren Kontext sehr schätze.
Und weil ich natürlich die Arbeit wichtig finde und die Umgebung der Hochschule ideal dafür ist.
Olaf Brinkmann:
Und was sind deine wichtigsten Aufgaben? Was machst du?
Simone Krost:
Wie du eben schon richtig gesagt hast, ist die wichtigste Aufgabe die Gleichstellung der Geschlechter.
Im Gesetz steht tatsächlich "Männer und Frauen". Das wurde überarbeitet, bevor das dritte Geschlecht in Deutschland offiziell anerkannt wurde.
Wir interpretieren das hier ein bisschen anders. Wir sehen uns durchaus zuständig für alle Geschlechter.
Ich bin in alle organisatorischen, strukturellen, personellen und strategischen Maßnahmen der Hochschulleitung und der Hochschule eingebunden. Ich muss zu fast allen größeren Veränderungen meine Zustimmung geben und achte dabei darauf, dass möglichst kein Geschlecht benachteiligt wird.
Neben der strategischen Ebene gibt es eine sehr operative, bei der wir versuchen, das Thema Gleichstellung möglichst praktisch an Beschäftigte und Studierende zu vermitteln – durch diverse Angebote.
Olaf Brinkmann:
Was habt ihr da in der HRW in letzter Zeit gemacht, um das zu fördern? Und wie hast du da mitgewirkt?
Simone Krost:
Ganz aktuell aus dem letzten Jahr haben wir einen Gender Equality Plan geschrieben.
Das ist ein sehr umfangreiches Dokument, das jetzt gerade ins Wirken kommt und nach Zielgruppen aufgeschlüsselt ist.
Wir haben für alle Zielgruppen – Professorinnen und Professoren, Beschäftigte in Technik und Verwaltung, wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende – Maßnahmen entwickelt, um Gleichstellung weiter voranzubringen.
Eine große Maßnahme ist ein Trainingskonzept, das durch den GEP vorgeschrieben ist. Wenn man einen GEP schreibt, muss man dieses Trainingskonzept mitschreiben.
Es richtet sich an alle Beschäftigten. Ab Herbst fangen wir mit Schulungen an – zu Themen wie gender- und diversitätssensible Lehre, gender- und diversitätssensible Forschung, familienfreundliche Organisationskultur und noch vieles mehr.
Das wird eine Art Baukasten, bei dem man sich Angebote aussuchen und daran teilnehmen kann.
Dann haben wir ein neues Mentoring- und Netzwerkprogramm für unsere weiblichen wissenschaftlichen Beschäftigten aufgesetzt, zusammen mit unserer Präsidentin Susanne Staude.
Wir laden sie einmal im Jahr zu einem Jahrestreffen ein, das unter einem bestimmten Thema steht, und geben ihnen Möglichkeiten, sich besser zu vernetzen.
Übers Jahr verteilt gibt es Kleingruppen-Mentorings, in denen sie zu dritt oder fünft zusammenkommen und mit der Präsidentin an einem Projekt, an der Promotion oder an einer Bewerbung arbeiten.
Olaf Brinkmann:
Und du arbeitest ja auch eng mit den Fachbereichen zusammen. Wie sieht da die Zusammenarbeit aus? Was passiert in den Fachbereichen, um Gleichstellung zu fördern?
Simone Krost:
Ich bin die zentrale Gleichstellungsbeauftragte.
In den Fachbereichen gibt es die dezentralen Gleichstellungsbeauftragten. Pro Fachbereich mindestens eine, manchmal eine Plus-Vertretung.
Sie kümmern sich darum, dass Gleichstellung auch an den Fachbereichen gelebt wird – und das auf ganz unterschiedliche Art.
Sie sind genauso frei wie ich und lassen sich verschiedene Dinge einfallen.
Es gibt Vernetzungsveranstaltungen oder Ausflüge, damit Frauen und andere FLINTA-Personen sich vernetzen können.
Wichtig ist auch, dass wir in Berufungs- und Personalverfahren sitzen und darauf achten, wie die Bewerberinnenlage aussieht, ob Frauen eingeladen werden und in die zweite Runde kommen.
Olaf Brinkmann:
Wie siehst du die aktuelle Situation der Gleichstellung an Hochschulen? Wo gibt es Fortschritte, wo Herausforderungen?
Simone Krost:
Ich war vor nicht allzu langer Zeit auf unserem internen Netzwerktreffen der Gleichstellungsbeauftragten in NRW.
Da kam heraus, dass es an vielen Hochschulen einen Trend gibt, Gleichstellung zu verdrängen – teilweise sogar aus Präsidien heraus.
Gesamtgesellschaftlich merken wir Gegenwind gegenüber diesen Themen.
Ich bin froh, an einer Hochschule zu sein, an der Gleichstellung vorne steht und alle das leben. Ich muss nicht besonders dafür kämpfen.
Aber ich weiß, dass das nicht der Standard ist. Viele Kolleginnen müssen ihre Themen sehr viel stärker durchbringen, oft gegen große Widerstände.
Sie sind damit beschäftigt, Widerstände zu beseitigen, statt Angebote zu schaffen, wie ich es kann.
Olaf Brinkmann:
Was denkst du, warum dieser Gegenwind zunimmt?
Simone Krost:
Ich glaube, das hängt mit gesamtgesellschaftlichen Tendenzen zusammen: dem Erstarken der Rechten, traditionellen Rollenmustern, dem Trend zu Treadwives, wie man es aus Social Media kennt.
Das nimmt stark zu und macht auch vor Hochschulen nicht Halt.
Dadurch werden andere Themen als wichtiger wahrgenommen, und Gleichstellung wirkt für manche wie etwas Neues oder Überflüssiges.
Manche sagen:
Es reicht jetzt auch langsam, hört auf mit Gleichstellung.
Das wäre eine Erklärung, aber ich habe keine Belege dafür.
Olaf Brinkmann:
Ist das die größte Hürde im Bereich Gleichstellung an Hochschulen oder gibt es weitere Herausforderungen?
Simone Krost:
Es ist eine große Hürde.
Aber es gibt weitere Herausforderungen.
Wir müssen unser Thema an die Leute bringen. Studierende haben oft noch kein Bewusstsein dafür, dass sie später Ungerechtigkeit erleben könnten.
Mit Anfang 20 fühlt sich die Welt offen an. Das ist auch richtig so, aber trotzdem gibt es strukturelle Hürden, die später auftreten.
Dieses Thema sichtbar zu machen und den Studierenden zu sagen:
Es betrifft euch vielleicht später – das ist schwierig.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben dieses Problem bei ihren Themen ebenfalls.
Olaf Brinkmann:
Habt ihr Programme, die besonders erfolgreich sind, um damit umzugehen?
Simone Krost:
Wir haben verschiedene Angebote. Die Frage ist eher: Wie erreichen wir die Studierenden?
Wir arbeiten gut mit studentischen Aushilfskräften, die selbst an der HRW studieren. Sie haben eigene Netzwerke und sprechen Studierende direkt an – klassisch auf dem Campus.
Das funktioniert gut und die Angebote sprechen sich herum.
Ein Beispiel sind unsere Finanzworkshops, um finanzieller Abhängigkeit und Altersarmut vorzubeugen.
Die Zielgruppe sind junge Studierende, denen wir sagen: Ihr beschäftigt euch jetzt nicht gerne mit Rente, aber eine Stunde jetzt spart euch später viel Aufwand.
Diese Workshops bieten wir seit einem Jahr regelmäßig an, und es spricht sich rum – Studierende und auch Beschäftigte kommen zunehmend.
Olaf Brinkmann:
Was rätst du Studierenden, die Schwierigkeiten mit Gleichstellungsthemen oder Diskriminierung an der Hochschule haben?
Simone Krost:
Sie sollten unbedingt mit jemandem Kontakt aufnehmen.
Es gibt viele Stellen, die helfen: die zentrale Gleichstellung, die Antidiskriminierungsstelle, die psychologische Beratung.
Auch wenn man versehentlich bei der falschen Stelle landet, wird man weitergeleitet.
Niemand muss mit seinen Problemen alleine bleiben. Wir sorgen dafür, dass die Fälle bei der richtigen Person landen.
Olaf Brinkmann:
Welche Tipps gibst du Studierenden, die sich für Gleichstellung und Chancengleichheit einsetzen wollen?
Simone Krost:
Sie können gerne zu uns kommen und uns unterstützen.
Sie sollten unsere Veranstaltungen besuchen.
Es wird Trainings zum Active Bystanding geben:
Wie verhalte ich mich, wenn ich Unrecht beobachte?
Wie helfe ich, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen?
Das ist wichtig, damit Menschen sich gesehen fühlen und Ungerechtigkeiten nicht wieder vorkommen.
Olaf Brinkmann:
Simone, der HRW ist es wichtig, ein Ort des Wachstums zu sein. Wie wirkst du an diesem Ziel mit?
Simone Krost:
Ich glaube, dass wir alle wachsen können, wenn wir uns mit Gleichstellungs- und Diversitätsthemen beschäftigen.
Ich sehe es als meine Aufgabe, diese Themen im Hochschulalltag präsent zu halten, damit sie nicht aus dem Blick geraten.
Das kann uns allen zu weiterem Wachstum verhelfen.
Olaf Brinkmann:
Damit sind wir am Ende dieses Podcasts.
Simone, ganz, ganz lieben Dank für die Einblicke in deine Arbeit.
Simone Krost:
Vielen Dank. Sehr gerne. Vielen Dank fürs Gespräch.
Olaf Brinkmann:
Liebe Hörerinnen und Hörer, wenn euch diese Folge gefallen hat, dann teilt sie mit anderen – das unterstützt uns.
Hinterlasst uns gerne eine Bewertung oder einen Kommentar.
Und hört auch in unsere anderen Formate rein, zum Beispiel in den Podcast der Wissenschaft.
Jetzt sage ich Tschüss und bis zum nächsten Mal.
Euer Olaf Brinkmann.