KI-basiertes Warnsystem vor Starkregen und urbanen Sturzfluten
Titel des Forschungsprojekts
KI-basiertes Warnsystem vor Starkregen und urbanen Sturzfluten |
Akronym
KIWaSuS
Projekt
Eine Folge des Klimawandels sind zunehmend auftretende Starkregenereignisse, bei denen sintflutartige Niederschläge mit extremen Intensitäten innerhalb kürzester Zeit auftreten. Dabei kommt es insbesondere in den hochverdichteten urbanen Gebieten häufig zu einer Überlastung des Kanalnetzes und in der Folge zu Überflutungen. Diese sogenannten urbanen Sturzfluten können insbesondere in den Sommermonaten grundsätzlich überall auftreten und sind durch kurze Vorlaufzeiten sowie sehr dynamische Prozesse gekennzeichnet. Solche Ereignisse stellen daher ein hohes Sicherheitsrisiko für die betroffene Bevölkerung dar. Zur besseren Vorhersage solcher Überflutungssituationen sowie eine effiziente Alarm- und Einsatzplanung (Krisenmanagement) wurden daher im Projekt KIWaSuS KI-basierte Vorhersagemodelle (komplexe tiefe neuronale Netze, Deep Learning (DL)) für Niederschlags- und Überflutungsereignisse in urbanen Einzugsgebieten entwickelt.
Mit Hilfe des Deep-Learning-Ansatzes sollte im Niederschlagsvorhersagemodel die hohe Dynamik sommerlicher konvektiver Starkregenzellen in der Vorhersage besser berücksichtigt werden. Dafür wurden als Eingabedaten frei verfügbare Radarniederschlagsdaten des Deutschen Wetterdienstes (wie sie auch von zahlreichen Wetter-Apps genutzt werden) verwendet. Während der Projektlaufzeit wurden verschiedene Architekturen von DL-Modellen getestet und bewertet. Mit den komplexeren Modellen konnten so die Niederschlagsvorhersagen bis zu einer Vorlaufzeit von 30 Minuten gegenüber aktuell operationell eingesetzten Modellen verbessert werden.
Für die Abschätzung von Überflutungsflächen existieren bereits relativ genaue physikalisch basierte Modelle. Aufgrund von langen Rechenzeiten (mehrere Stunden) sind diese aber nicht für den Echtzeit-Einsatz im Krisenfall geeignet. Im zweiten Teil des KIWaSuS-Projektes wurden daher DL-Modelle entwickelt, die innerhalb weniger Sekunden Überflutungsflächen mit einer sehr hohen Genauigkeit hinsichtlich Ausmaß und Wassertiefen berechnen können. Voraussetzung sind allerdings hinreichend gute Niederschlagsvorhersagen.
Auch wenn aktuell noch die Vorhersage hinreichend genauer Überflutungsflächen bei extremen Ereignissen auf einen Vorhersagehorizont von 30 Minuten beschränkt ist, reicht dieser Zeitraum aus, damit das Krisenmanagement erste Schritte zur Gefahrenabwehr initiieren kann. Hierzu gehören zum Beispiel Informationen über Warntafeln in bekannten Überflutungsgebieten sowie das Betätigen von Ampeln oder Schranken vor Unterführungen. Die hohe Qualität bei der Abschätzung von Überflutungsflächen während des Niederschlagsereignisses, wenn also die Niederschlagsvorhersage an Bedeutung verliert, ist zudem eine wertvolle Grundlage zur Abschätzung des Lagebildes im Krisenfall. Auf Basis einer intuitiven Visualisierungsoberfläche, in der die aktuellen Überflutungsflächen dargestellt werden, können so überfluteten Wege (insbesondere Unterführungen) umfahren und Einsatzwege der Hilfskräfte (Feuerwehren, Krankenwagen) besser geplant werden.
Am Institut für Mess- und Sensortechnik wurde zudem ein LowCost-Niederschlagssensor auf Basis des Wirbelstromverfahrens entwickelt. Dieser kostengünstige Niederschlagssensor konnte im Testbetrieb Niederschlagssummen messen, die um weniger als 10 % von den gemessenen Niederschlägen von Präzisionsmessgeräten abweichen. Diese Geräte sind somit geeignet, bestehende Niederschlagsmessnetze zu verdichten, um eine höhere räumliche Niederschlagsverteilung abzubilden. Diese kann dann wiederum als ergänzende Information bei der Überflutungsvorhersage genutzt werden.
Beitrag der HRW
Die Projektleitung des Verbundforschungsvorhabens wurde durch die Hochschule Ruhr West (Prof. Dr. Markus Quirmbach) wahrgenommen. An der HRW wurden folgende Arbeitspakete von Wissenschaftlern der HRW bearbeitet:
- AP 1: Projektleitung und Koordination (Lehrgebiet Siedlungswasserwirtschaft, Hydrologie und Wasserbau, Institut Bauingenieurwesen, Prof. Dr. Markus Quirmbach)
- AP 2: Teil: Entwicklung eines LowCost-Sensorsystems zur Messung von Niederschlag (Institut Mess- und Sensortechnik, Prof. Dr. Jörg Himmel)
- AP 5: Entwicklung eines Niederschlagsvorhersagemodells (Lehrgebiet Siedlungswasserwirtschaft, Hydrologie und Wasserbau, Institut Bauingenieurwesen, Prof. Dr. Markus Quirmbach)
- AP 6: Entwicklung eines Überflutungsvorhersagemodells (Lehrgebiet Siedlungswasserwirtschaft, Hydrologie und Wasserbau, Institut Bauingenieurwesen, Prof. Dr. Markus Quirmbach)
Ergänzend wurden von den anderen Projektpartnern die nachfolgenden Arbeitspakete bearbeitet:
- AP 2: Teil: Entwicklung eines LowCost-Sensorsystems zur Messung von Abfluss im Kanalnetz (Gelsenwasser AG)
- AP 3: KI basiertes Datenqualitätsmanagement (Universität Duisburg-Essen, Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Prof. Dr. André Niemann)
- AP 4: Entwicklung einer Datenplattform und Visualisierungsoberfläche (fuseki GmbH
- AP 7: Entwicklung und Implementierung eines Warn- und Handlungskonzeptes (Abwassergesellschaft Gelsenkirchen mbH)
Förderungen
Das Projekt KIWaSuS wurde im Zeitraum 2021-2024 im Rahmen der Förderrichtlinie „Künstliche Intelligenz in der zivilen Sicherheitsforschung“ des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit 2018 bis 2023“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 13N15556).
Publikationen
In der dreijährigen Laufzeit und im unmittelbaren Anschluss wurden insgesamt über 50 Beiträge zum Projekt KIWaSuS auf unterschiedlichem Niveau veröffentlicht. Die wichtigsten Publikationen werden nachfolgend aufgeführt:
International peer reviewed
Clemens, C., Jobst, A.; Radschun, M.; Himmel, J.; Kanoun, O.; Quirmbach, M. (2022): Development of an Inductive Rain Gauge. Sensors 2022, 22, 5486. htps://doi.org/10.3390/s22155486
Burrichter, B.; Hofmann, J.; Koltermann da Silva, J.; Niemann, A.; Quirmbach, M. (2023): A Spatiotemporal Deep Learning Approach for Urban Pluvial Flood Forecasting with Multi-Source Data, Water, Vol. 15, no. 9, 1760, https://doi.org/10.3390/w15091760
Clemens, C.; Jobst, A.E.; Radschun, M.; Himmel, J.; Kanoun, O. (2024): Signal processing and calibration of a low-cost inductive rain sensor for raindrop detection and precipitation calculation, Measurement, Volume 227, 2024, https://doi.org/10.1016/j.measurement.2024.114286
Burrichter, B.; Koltermann da Silva, J.; Niemann, A.; Quirmbach, M. (2024): A Temporal Fusion Transformer Model to Forecast Overflow from Sewer Manholes during Pluvial Flash Flood Events, Hydrology 11, no. 3: 41. https://doi.org/10.3390/hydrology11030041
Koltermann da Silva, J.; Burrichter, B.; Niemann, A.; Quirmbach, M. (2024): „A Systematic Modular Approach for the Coupling of Deep-Learning-Based Models to Forecast Urban Flooding Maps in Early Warning Systems”, Hydrology 11, 215, https://doi.org/10.3390/hydrology11120215
International ohne peer reviewed Verfahren
Burrichter, B., Koltermann da Silva, J., Quirmbach, M. (2022): KI-basierte Vorhersage kanalinduzierter Überflutungen. In Disch, A. & Rieckermann, J. (Eds.), Grün statt grau, Tagungsband der Aqua Urbanica 2022 Konferenz, Glattfelden, Schweiz, 14.-15. November 2022, Eawag, Abteilung für Siedlungswasserwirtschaft, S. 218-225
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M. (2022): Radarbasiertes Kürzestfrist-Niederschlagsvorhersagemodell von Starkregen in KIWaSuS. In Disch, A. & Rieckermann, J. (Eds.), Grün statt grau, Tagungsband der Aqua Urbanica 2022 Konferenz, Glattfelden, Schweiz, 14.-15. November 2022, Eawag, Abteilung für Siedlungswasserwirtschaft, S. 232-237
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M. (2023): Application of Artificial Intelligence in Rainfall Nowcasting and Flash Floods Forecast in an urban catchment: First results from Research Project KIWaSuS in Germany. Novatech 2023, Jul 2023, Lyon, France. ⟨hal-04176936⟩
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M. (2023): Nowcasting of heavy rainfall events with AI-based precipitation forecast model, Pre-Prints, 12th International Workshop on Precipitation in Urban Areas (UrbanRai23) Pontresina, Schweiz
Wesentliche nationale Publikationen
Quirmbach, M. (2021): Wie Künstliche Intelligenz vor Starkregen und urbanen Sturzfluten warnen kann, Prof. Dr. Markus Quirmbach im Interview mit dem Kammerspiegel der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, Ausgabe 11.2021, S. 7-9
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M. (2022): Vorhersagemodelle in KIWaSuS: Vorverarbeitungsschritte für die Entwicklung von KI-Modellen, Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, Heft 43.22, S. 81-90
Frentrup, S., Schultheis, H., Quirmbach, M., Burrichter, B., Koltermann da Silva, J., Clemens, C., Niemann, A., Kunze, J.E., Dillhard, M., Jörissen, D. (2022): Intelligentes Management von Datenströmen und KI-Anwendungen in KIWaSuS, KA Korrespondenz Abwasser, Abfall, Jg. 69, Heft Nr. 4, S. 264-270
Burrichter, B., Quirmbach, M. (2023): KI-basierte Überflutungsvorhersage im urbanen Raum, Tagungsband der 7. Wassertage Münster 2023; Hrsg.: IWARU – Institut für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen, Umwelt der FH Münster, S. 49-55
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M. (2023): KI-basiertes Vorhersagemodell von Starkregen, Wasserwirtschaft, Heft 7-8, S. 59-62
Frentrup, S., Kümmel, M., Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Schultheis, H., Quirmbach, M. (2025): „Künstliche Intelligenz in der Prognose von extremen Wetterereignissen“, in: Bodemann, M., Just, V., Paul, A., Weber, J. (Hrsg.): Innovative Nachhaltigkeit oder Nachhaltige Innovation, Kapitel 14, pp. 309-326, Organisationskompetenz Zukunftsfähigkeit. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-68996-7_14
Koltermann da Silva, J., Burrichter, B., Quirmbach, M., Niemann, A. (2025): Prototyp für ein KI-basiertes Warnsystem vor Starkregen und urbanen Sturzfluten in Echtzeit: Ergebnisse aus dem KIWaSuS-Projekt; für Publikation in KA Korrespondenz Abwasser, Abfall angenommen
Promotionen
Abgeschlossene Promotionsverfahren:
Burrichter, B. (2024): „Entwicklung eines Vorhersagemodells für pluviale Überflutungen in urbanen Gebieten auf Basis von Maschinellen Lernverfahren“, Kooperative Promotion mit der Universität Duisburg-Essen, Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Prof. Dr. André Niemann
Ansprechperson
Verbundkoordinator:
Prof. Dr.-Ing. Markus Quirmbach
markus.quirmbach@hs-ruhrwest.de

